Prozess um Anschläge mit Rohrbomben: Angeklagter schweigt

Eingetragen von Rechtsanwalt Markus Lehmann am 19. Jul 2012 zum Thema Opfervertretung

Berlin -​ Im Prozess gegen den 45-​jäh­ri­gen Stephan S., der im August ver­gan­ge­nen Jahres im Schil­ler­park (Wedding) eine mit Nägeln gefüllte und mit einem Be­we­gungs­zün­der versehene Rohrbombe abgelegt haben soll, ist am Mittwoch vor einem Moabiter Schwur­ge­richt die Anklage verlesen worden. Bei der De­to­na­tion am 14. August wurde ein Passant verletzt.

Die Staats­an­walt­schaft geht in ihrer Anklage von ver­such­tem Mord aus. Sie wirft Stephan S. vor, im Mai 2011 am Uferweg des Spandauer Schiff­fahrts­ka­nals schon einmal eine Bombe abgelegt zu haben. Sie konnte, nachdem sie von Spa­zier­gän­gern entdeckt wurde, jedoch noch ent­schärft werden. Eine weitere Rohrbombe soll er am Abend des 27. Juni 2007 im Doh­na­ge­stell (Wed­ding), einer öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Grün­an­lage unweit des Plöt­zen­sees, deponiert haben. Sie hatte einen Zeit­schal­ter und de­to­nierte kurz vor Mit­ter­nacht, glück­li­cher­weise ohne dabei einen Menschen zu ver­let­zen.

Stephan S. -​ er ist in­zwi­schen in der Ge­fäng­nis-​Psych­ia­trie un­ter­ge­bracht -​ hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen der Ankläger geäußert. Auch vor Gericht macht er von seinem Schwei­ge­recht Gebrauch. Auf die Spur des gelernten Kfz-​Me­cha­ni­kers kamen die Ermittler durch Re­cher­chen beim Elek­tro­nik­händ­ler Conrad, wo er als Kunde notiert war. Fest­ge­nom­men wurde er am 30. September ver­gan­ge­nen Jahres in einer Ma­schi­nen­bau­firma in Marzahn. Noch am gleichen Tag durch­such­ten Beamte seine Wohnung in der Trift­straße (Wed­ding). Es fanden sich Waffen und eine Werk­statt, in der er elek­tro­ni­sche Bauteile lagerte. Darunter Platinen, die in gleicher Bauart auch für die Zünder der Bomben verwendet wurden. Ein als Zeuge geladener Polizist sagte aus, er habe bei einer Festnahme noch nie einen so gleich­gül­tig und teil­nahms­los wirkenden Be­schul­dig­ten erlebt.

Rechts­an­walt Markus Lehmann, der das Opfer des Anschlags im Schil­ler­park als Ne­ben­klä­ger vertritt, beschrieb seinen Mandanten als “noch immer trau­ma­ti­sier­t”. Der 59-​Jäh­rige könne infolge der De­to­na­tion mit einem Auge nur noch Hell und Dunkel un­ter­schei­den. Sein Mandant sei wegen mehrerer Ver­fah­rens­ver­zö­ge­run­gen in­zwi­schen auch von dem Vorhaben ab­ge­wi­chen, den Prozess im Ge­richts­saal direkt zu ver­fol­gen. mim

Autor: Michael Mielke


Beitrag erschienen in: Morgenpost

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