Neues Gesetz nach Schaldach-Prozess

Eingetragen von Rechtsanwalt Roland Weber MBE am 02. Aug 2006 zum Thema Opfervertretung

Der Zustand war unerträglich: Die Eltern des ermordeten siebenjährigen Christian Schaldach durften zwar den Prozess gegen den 16 Jahre alten Mörder ihres Sohnes beobachten.


Der Zustand war unerträglich: Die Eltern des ermordeten siebenjährigen Christian Schaldach durften zwar den Prozess gegen den 16 Jahre alten Mörder ihres Sohnes beobachten. Es war ihnen in dem nichtöffentlichen Verfahren wegen der Jugendlichkeit des Angeklagten aber nicht gestattet, einen Anwalt als Begleiter hinzuzuziehen. “Das war sehr schwer für uns”, sagte der 39 Jahre alte Matthias Schaldach nach dem Prozess. Sie hätten vieles, was im Prozess abgehandelt worden sei, nicht gleich verstanden und gern erklärt bekommen. Auch hätten er und seine Frau - “das Gericht hat uns kaum beachtet” - sich wie Störenfriede gefühlt. “Mit einem Anwalt wäre manches leichter zu ertragen gewesen.”
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Dieser Zustand wird nun Ende des Jahres verändert. Familie Schaldach hat vor wenigen Tagen ein sehr persönlich gehaltenes Schreiben aus dem Bundestag bekommen, mit dem Hinweis, dass im Rahmen des “Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes” auch die Stärkung des Opferschutzes vorangetrieben werden solle.
“Insbesondere sollen die Vorschriften über die Beteiligung eines Opferanwaltes Anwendung finden”, heißt es in der Vorlage. “Wenn der Täter Jugendlicher ist, müssen sich zum Beispiel die Eltern eines ermordeten Kindes bislang selbst durch eine langwierige und belastende Hauptverhandlung quälen, auch wenn sie sich lieber durch einen Anwalt vertreten lassen würden.”
Rechtsanwalt Roland Weber, der Familie Schaldach juristischen Beistand leistet, sieht seine Intentionen mit diesem Passus im Justizmodernisierungsgesetz bestätigt. Weber hatte schon unmittelbar vor dem Prozess gegen den Mörder des kleinen Christian an das Gericht appelliert, ihn als Zeugenbeistand zuzulassen. Vergeblich, auch das Kammergericht hatte seine Anträge abschlägig beschieden. Wobei durchaus Spielraum vorhanden gewesen wäre. Weber hatte damals auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Koblenz und München verwiesen, die trotz bestehender Rechtslage einen juristischen Beistand für die Angehörigen eines Opfers in einem nichtöffentlichen Prozess zugelassen hatten. In Berlin jedoch stand Weber während des Prozesses vor der Tür - und die Eltern des ermordeten Christian saßen im Saal und hätten Webers Hilfe auch aus psychischen Gründen, wie die 36 Jahre alte Nicola Schaldach bestätigte, dringend bedurft.
Sie und ihr Mann sind nun “sehr froh”, dass wenigstens anderen Eltern ein derartiges Verhandlungsprozedere erspart werde. Weber sieht dafür als Ursache auch den Umgang mit seinen Mandanten: “Für den Gesetzgeber war das Schicksal der Schaldachs offensichtlich Anlass, die rechtliche Grundlage noch einmal zu überdenken und den betroffenen Eltern den Rücken zu stärken.”
Klaus-Uwe Bennetter, Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, kann das nur bestätigten. Ihn habe das Schicksal der Familie Schaldach sehr beschäftigt, sagt Benneter. “Ich war empört, wie eiskalt sich damals die Richter über die Empfindungen der Eltern des ermordeten Kindes hinweggesetzt hatten.” Das sei für ihn dann auch ein Grund gewesen, sich nachdrücklich für Änderungen im Gesetz einzusetzen.

Mittwoch, 2. August 2006 04:00 - Von Michael Mielke


Beitrag erschienen in: Berliner Morgenpost

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