Darf die Versicherung auf eine billigere Werkstatt verweisen?

Eingetragen von Rechtsanwalt Markus Lehmann am 09. Dez 2009 zum Thema Verkehrsrecht

Ist ein Verkehrsunfall passiert und die Haftungsfrage geklärt, dann darf der Geschädigte grundsätzlich auch fiktiv (nach Gutachten) abrechnen, soweit keine Ausnahme (z.B. wirtschaftlicher Totalschaden) vorliegt.

Aktuell hat der Geschädigte dabei regelmäßig Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten (netto), so wie sie im Gutachten ermittelt worden sind. Hierbei ist aktuell aber sehr häufig zu beobachten, dass die Versicherung regelmäßig eine eigene (gutachterliche) Beurteilung einholt und die vom eigenen Gutachter ermittelten Schadensbeträge dahingehend kürzt, indem argumentiert wird, dass die Reparatur auch in einer günstigeren Werkstatt mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen durchgeführt werden kann.

Grundsätzlich hatte der BGH die Frage im sogenannten „Porsche-Urteil“ (BGHZ 155,1) entschieden, wonach der Geschädigte grundsätzlich die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen kann. Aktuell gibt es dazu eine brandneue Entscheidung des BGH (20.10.09, VI ZR 53/09), die aber leider noch nicht veröffentlicht ist. Danach gilt der bisher vertretene Grundsatz zwar fort, aber es sollen Einschränkungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Schadensminderungspflicht geben.

Eine Einschränkung soll dann in Betracht kommen, wenn eine Reparatur in einer (Alternativ) Werkstatt vom Qualitätsstandard her vergleichbar mit einer markengebundenen Fachwerkstatt ist, was die Versicherung im Zweifel beweisen müsste. Weiterhin muss die (Ersatz)Werkstatt für den Geschädigten ohne Mühe zugänglich sein.
Gegen einen Verweis auf eine vergleichbare Werkstatt könnten aber Argumente sprechen und der Versicherung vorgebracht werden, dass es gerade bei neueren Fahrzeugen bei einer Reparatur in der Alternativwerkstatt zu Schwierigkeiten bei einer späteren Inanspruchnahme von Rechten aus Gewährleistung oder Garantie geben könnte.

Ebenso kann der Geschädigte in den Fällen gut argumentieren, in denen er auch schon bisher ausschließlich sein Fahrzeug in einer Markenwerkstatt hat reparieren lassen und dies nachweisbar ist.
Es bleibt daher die ausführliche Begründung des neuerlichen BGH-Urteils abzuwarten, auch ist leider jeder Einzelfall konkret zu betrachten.
Insofern ist die rechtliche Vertretung und Beratung durch einen auf den Bereich des Verkehrsrechts spezialisierten Rechtsanwalt empfehlenswert, damit man als Geschädigter nicht unberechtigte Kürzungen in der Schadensabrechnung hinnehmen muss. 


Beitrag erschienen in: Rudow Live

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