Die unvollständige, unwirtschaftliche Reparatur

Eingetragen von Rechtsanwalt Markus Lehmann am 20. Okt 2015 zum Thema Verkehrsrecht

In einem aktuellen Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte (vgl. BGH vom 02.06.2015, Az: VI ZR 387/14), war nach einem Unfall die Haftungsfrage geklärt, bzgl. der Frage der Schadenshöhe bestand aber Streit.
In dem zu entscheidenden Fall war am verunfallten Fahrzeug des Geschädigten eigentlich ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten.

Gemäß ständiger Rechtsprechung lässt der BGH aber eine Ausnahme dahingehend zu, dass der Geschädigte sein KFZ dennoch reparieren darf, wenn die Reparaturkosten (z.B. 2.500 €) bis zu 130% (z.B. 2.600 €) in Bezug auf den Widerbeschaffungswert des Fahrzeuges (z.B. 2.000 €) liegen. Für diesen Fall bekommt dann der Geschädigte anstatt nach der Totalschadensabrechnung (im Beispiel 2.000 € oder weniger) auch die eigentlich unwirtschaftlichen höheren Reparaturkosten (hier 2.500 €) ersetzt.
Begründet wird dies dahingehend, dass der Geschädigte als Eigentümer ein besonderes (Integritäts-)Interesse an seinem KFZ hat, weil er dies z.B. schon länger fährt und besonders pflegt und eben genau weiß, was er an dem Fahrzeug hat.

In dem vorliegenden Fall hatte der Geschädigte ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eingeholt, dort wurden aber Reparaturkosten ermittelt, die weit über der 130%-Grenze lagen, hier bei über 180%. Der Geschädigte ließ sein Fahrzeug dennoch reparieren, verwendete aber teilweise Gebrauchtteile bzw. wechselte einige wenige Teile (z.B. eine Zierleiste) gar nicht aus und kam dann letztlich zu einer Reparaturrechnung, die wenige Euro unter der 130%-Grenze lag.

Die Reparatur mit günstigeren Gebrauchtteilen wäre vom BGH vermutlich wie in früheren Entscheidungen akzeptiert worden, vorliegend aber wurde die nur teilweise entsprechend den Vorgaben des Schadensgutachtens durchgeführte Reparatur nicht akzeptiert. In dem Verfahren hatte sogar noch ein gerichtlicher Sachverständiger dem Geschädigten eine „technisch und optisch einwandfreie Reparatur“ bescheinigt, dennoch hat der BGH den Schädiger nicht die erhöhten Kosten der Reparatur zuerkannt.

Insofern ist es bei solchen Grenzfällen wichtig, schon frühzeitig mit anwaltlicher Unterstützung die richtigen Entscheidungen zu treffen, um nicht hinterher auf einen beträchtlichen Teil des Schadens sitzen zu bleiben.
Ob man in einem konkreten Fall erfolgreich Ansprüche durchsetzen kann, lässt sich regelmäßig nur durch frühzeitige Prüfung des Einzelfalls durch einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt sicherstellen.


Beitrag erschienen in: Rudow Live

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