Lebenslange Haft für den Polizistenmörder

Eingetragen von Rechtsanwalt Roland Weber MBE am 21. Feb 2007 zum Thema Opfervertretung

Der Mörder des Berliner Polizeibeamten Uwe Lieschied ist gestern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Berlin hatte keine Zweifel daran, dass Mehmet E. den 42-jährigen Beamten am 17. März in der Neuköllner Hasenheide erschoss, um einer Verhaftung zu entgehen. Der mitangeklagte Yusuf K. wurde wegen schweren Raubes zu fünf Jahren Haft verurteilt. In seiner Urteilsbegründung gab der Schwurgerichtsvorsitzende Hans Luther noch einmal eine Zusammenfassung des Geschehens vor knapp einem Jahr. Die beiden Kurden hätten am Tattag unmittelbar vor der Kontrolle durch den Zivilfahnder Lieschied einen Raubüberfall an der Flughafenstraße verübt. “Als der Polizeihauptkommissar fünf Meter entfernt war, zog E. spontan eine Pistole und gab acht Schüsse auf seinen Verfolger ab, bis das Magazin leer war”, sagte Richter Luther. Während sich Lieschieds Kollege hinter ein Auto flüchten konnte, wurde der 42-Jährige am Kopf getroffen. Der Familienvater fiel ins Koma und starb vier Tage später im Krankenhaus.

Eine besondere Schwere der Schuld, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, könne jedoch nicht erkannt werden, führte der Richter weiter aus.

Keine Sicherungsverwahrung

“Zugunsten des Angeklagten gehen wir davon aus, dass er einen Tatentschluss innerhalb von ein bis zwei Sekunden fasste”, so Luther. Wegen dieses verkürzten Zeitraumes könne nicht von einem Vorsatz gesprochen werden. “Zu unserem Bedauern wählte er den falschen Weg”, sagte der Richter weiter, indem Mehmet E. die halbautomatische Waffe zog und gezielt auf den Beamten feuerte. Sicherheitsverwahrung oder andere Sicherheitsmaßnahmen ordnete der Richter nicht an. Der 40-jährige Mehmet E. hat die Chance, nach 15 Jahren Haft auf Bewährung aus dem Gefängnis freizukommen.
Die Anspannung war der Witwe und dem ältesten Sohn des Berliner Polizisten Uwe Lieschied deutlich ins Gesicht geschrieben, als der Schwurgerichtsvorsitzende das Urteil verlas. Im Gerichtssaal saß Heike Lieschied unmittelbar vor dem Mörder ihres Mannes, von ihm nur durch wenige Meter und Panzerglas getrennt.

Familie erleichtert und enttäuscht
Die schwarz gekleidete Frau, die dem Prozess als Nebenklägerin beiwohnte und während der Verlesung des Urteils sehr gefasst wirkte, musste anschließend auf dem Gerichtsflur sichtlich um Worte ringen. “Ich muss das Gehörte erst einmal verkraften”, sagte Heike Lieschied. Dass die besondere Schwere der Tat nicht anerkannt wurde, habe sie enttäuscht, sagte sie weiter. “Schließlich hätte er sich ja auch anders entscheiden können.”
Ihr 20-jähriger Sohn Patrick, der seine Mutter während des Prozesses begleitete, sagte: “Ich bin erst einmal froh, dass er mindestens für 15 Jahre hinter Gittern verschwinden wird, auch wenn ich mir die Höchststrafe gewünscht hätte.” Sein 18-jähriger Bruder leide noch immer sehr unter dem Verlust des Vaters, habe deshalb auch nicht mitkommen können.
Er hoffe, so Patrick Lieschied, dass die Familie nach dem Urteil nun wieder nach vorn schauen könne. “Wir hatten so viele schöne Momente mit unserem Vater. Es wird Zeit, dass wir uns auch wieder daran erinnern können.”

Revision ist möglich
Der Verteidiger von Mehmet E. wollte gestern “keinen Kommentar” zu einer möglichen Revision geben. Der Anwalt hatte in seinem Plädoyer am vergangenen Freitag Freispruch für seinen Mandanten gefordert, weil dieser zu Prozessbeginn sein Geständnis widerrufen hatte. Es gäbe begründete Zweifel an der Täterschaft seines Mandanten.
Oberstaatsanwalt Ralph Knispel zeigte sich nach dem Urteil davon überzeugt, dass der Todesschütze wegen der Tatumstände nicht bereits nach 15 Jahren Haft entlassen wird. “Das Urteil bedeutet nur”, so Knispel, “dass nach 15 Jahren eine Haftentlassung geprüft werden kann.” Der Oberstaatsanwalt hatte am vergangenen Freitag wegen der besonderen Schwere der Schuld, die der Schütze auf sich geladen habe, die Höchststrafe für Mehmet E. gefordert. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft in Revision gehen werde, wolle Knispel nun sorgfältig prüfen.

Mittwoch, 21. Februar 2007 04:00 - Von Isabell Jürgens


Beitrag erschienen in: Berliner Morgenpost

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