Töchter verprügelt: Bewährungsstrafe für Vater

Eingetragen von Rechtsanwalt Roland Weber MBE am 30. Jun 2011 zum Thema Opfervertretung

Von Michael Mielke

Es klang merkwürdig, was die Jugendrichterin am Ende sagte: “Es ging nicht darum, die Kinder zu quälen. Hintergrund war, die Töchter zu vernünftigen Menschen zu erziehen. Dabei hat er das Maß völlig aus den Augen verloren.”

Muhieddine Z. war nicht anwesend, als die Richterin das sagte. Er hat es vorgezogen, der Urteilsverkündung im Saal B145 des Moabiter Kriminalgerichts fernzubleiben. So wird der gebürtige Libanese erst von seiner Verteidigerin erfahren, dass er zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten verurteilt wurde. Und dass er 100 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten muss.

Dem 43-Jährigen wird vorgeworfen, seine Kinder geschlagen und - zumindest psychisch - auch gequält zu haben. So hatte er, davon ist das Gericht überzeugt, seinen zwischen sechs und zehn Jahre alten Töchtern immer wieder mit einem Schuhanzieher auf die Innenseite der Hände geschlagen. Anfangs war es noch einer aus Plastik, der bei einer dieser Attacken zu Bruch ging. Später schlug er mit einem Schuhanzieher aus Metall. Die Anlässe waren nichtig. Mal sollen sich die Kinder gegenseitig abgekitzelt und dabei Lärm gemacht haben. In anderen Fällen soll es der Anklage zufolge um heimliches Anschauen von deutschsprachigen Sendungen im Fernsehen oder um einen verbotenen Anruf einer Schulfreundin gegangen sein. Im Anschluss soll er sie angewiesen haben, niemandem etwas von den Schlägen zu erzählen. Ansonsten würde er sie im Keller an einer Stange kopfüber fesseln und solange schlagen, bis sie tot seien.

Herausgekommen war die Sache erst nach zweijährigem Martyrium. Die Töchter waren in Panik geraten, als sie einen Mann vor der Tür ihrer Wohnung in Tiergarten sahen. Ihr Zimmer war nicht aufgeräumt. Sie hielten den Mann für ihren Vater und befürchteten erneut Schläge. Als die Mutter von den Vorwürfen hörte, zog sie mit den Kindern in ein Frauenhaus. Das Paar ist inzwischen geschieden.

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe vor Gericht bestritten. Die Töchter seien von der Mutter aufgehetzt worden und hätten sich das alles nur ausgedacht. Auch gebe es Urlaubsfotos, genau in der vermeintlichen Tatzeit geschossen, auf denen die Kinder sehr fröhlich neben ihm stehen.

Für das Jugend-Schöffengericht waren das jedoch keine Indizien für die Unschuld des Angeklagten. “Es gehörte zum System, dass nach außen hin alles gut war”, sagte die Vorsitzende. Auch habe eine Sachverständige bestätigt, dass die Aussagen der Mädchen glaubhaft seien. Und der gleiche Eindruck habe sich auch bei den Befragungen vor Gericht ergeben. “Er hat die Liebe seiner Kinder verloren”, so die Richterin. “Er hat Angst erzeugt. Heute lehnen sie ihn nur noch ab.”

Opfer-Anwalt Roland Weber, der die geschädigten Kinder vertrat, zeigte sich am Ende zufrieden. “Das Gericht hat dem Angeklagten deutlich aufgezeigt, dass Schläge und Drohungen keine zu akzeptierenden Erziehungsmittel sind. Auch verharmlosende Sprüche wie: ,Ein Klaps hat noch keinem geschadet’ gelten nicht mehr.” Das müsse endlich klar werden, so der Anwalt: “Kinder stehen nicht im Eigentum der Eltern. Und es kann mit ihnen nicht nach Belieben verfahren werden.”


Beitrag erschienen in: Berliner Morgenpost

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